Was macht eigentlich den Mythos Vega Sicilia aus? Keine öffentlichen Besichtigungen, Wachschutz am Tor, limitierte Produktion, mehr als 100 Jahre alt, hoch bewertet und teuer? Weine, die auch nach Jahrzehnten noch exzellent sind? Hier werden nur drei Weine erzeugt: Unico Gran Reserva, Unico Reserva Especial, eine Cuvée aus drei Jahrgängen, und der Valbuena No. 5. Keine Massenproduktion, eher Exklusivität. Bei den Weinen im oberen Preissegment geht es um Namen und ums Prestige. Man möchte dabei sein, dazugehören. Aber seien wir ehrlich, wenn auch die Liste dieser Prestigeweine ziemlich lang ist, diese Weine sind überragend: Pingus, Chateau Pétrus, Solaia, Penfolds Grange, Opus One gehören dazu.

Es gibt eine Besonderheit bei Vega Sicilia: die Verkaufsliste. Nur die Hotels, Restaurants, Weinhandlungen und Private können direkt einen Wein kaufen, die auf dieser Kundenliste stehen. Sie ist fast 100 Jahre alt, 3.500 Namen zieren diese Liste und mehr als 2.000 stehen auf der Warteliste. Auf diese Liste gelangt man heute nur, wenn ein Kunde zwei Jahre hintereinander keinen Wein kauft. Kommt aber selten vor. Und bei Tod? Nein auch dann nicht, denn das Recht kann vererbt werden. Heute beträgt die Wartezeit ungefähr acht Jahre. Und im Ausland? In der Regel gibt es nur einen Importeur für jedes Land. Auch hier Exklusivität. In Deutschland regelt den Verkauf Weinwolf, eine HAWESKO-Tochter, der nur Tausend Flaschen vom Unico jedes Jahr zugeteilt werden. Wenn man das Web durchsucht, bieten recht viele Online-Händler den Unico an. Aber wie ein Insider bestätigte, ist das zumeist keine Lagerware und wird nur bei einer Bestellung direkt geordert. Auch im Web möchte man unbedingt dazugehören.

Ein wenig Geschichte: 1842 erwarb der baskische Großgrundbesitzer Don Toribio Lecanda den 2000 Hektar großen Landbesitz Pago de la Vega Santa Cecilia y Carrascal. Der Name verkürzte sich im Laufe der Zeit auf Vega Sicilia benannt nach der Kapelle der Heiligen Cäcilia, die auf dem Landgut stand. Der Name hat also nichts mit dem italienischem Sizilien zu tun. Zunächst wurde der Besitz landwirtschaftlich genutzt und erst sein Sohn Eloy gründete 1864 das Weingut und ließ 18.000 Setzlinge der Rebsorten Cabernet Sauvignon, Carmenère, Malbec, Merlot und Pinot Noir neben der Tinto fino (Tempranillo) pflanzen.

Der geniale Kellermeister Garramiola kelterte Anfang des zwanzigsten Jahrhunderts erstmals jene Weine mit einem Anteil von 80 % Tempranillo, die erst nach einer mindestens zehnjährigen Reife im Holzfuder auf den Markt kamen. 1917 wurden die ersten Weine prämiert und sollten den Weltruf des Weinguts begründen.

Nach einigen Eigentümerwechseln kaufte 1982 die Unternehmerfamilie Alvarez Vega Sicilia. Sie vergrößerten die Rebflächen, investierten in moderne Kellertechnik und ließen ihrem genialem Kellermeister Mariano García freie Hand. Seit 1991 wurden von Alvarez die Kellerei Alión in Ribera del Duero, Pintia im Toro, Oremus im ungarischen Tokaj und mit Benjamin de Rothschild das Gemeinschaftsprojekt Macán in der Rioja gegründet.

Das Herzstück der Weinkellerei ist die neue Produktionshalle mit Kältekammern zum Abkühlen der Beeren, modernsten Selektiertischen und 81 Edelstahltanks. Alles neu und teuer. 22 Millionen wurden investiert. Hier ist das Beste gerade gut genug. Ein Edelstahltank für jede einzelne Parzelle. Nach dem Gärungsprozess reift der Unico Gran Reserva ungefähr sechs Jahre in großen Fudern mit einem Fassungsvermögen von 10.000 Litern und gebrauchten Barriques aus französischer und amerikanischer Eiche. Danach wird er auf die Flasche gezogen und reift für weitere drei Jahren in der Flasche.

Die Eichenfässer werden in der eigenen Küferei selbst gefertigt und getoastet. Nichts wird hier dem Zufall überlassen, auch nicht die Selektion der Korken. Jeder Charge wird eine Stichprobe entnommen und in einem Labor in Bordeaux untersucht. Erst nach bestandener Kontrolle werden die Korken dieser Charge verkorkt. Die Wahrscheinlichkeit, einen Korkschmecker zu erwischen, geht gegen Null. Schön, der Unico kostet auch 400,- € die Flasche. Und sie erzielt nicht den Preis, weil nur wenige gefüllt werden wie bei manchen anderen

Frühestens nach zehn Jahren kommt der Unico Gran Reserva auf den Markt. Den besten Jahrgängen wird ein Reifepotential von mehr als fünfzig Jahren zugesprochen und sie haben nach dieser Zeit noch eine unglaubliche Frische, Eleganz und Power. Vom Unico Gran Reserva werden nur zwischen 40.000 und 90.000 Flaschen je nach Güte des Jahrgangs erzeugt. In manchen Jahren wird überhaupt kein Unico gekeltert und das gesamte Lesegut wird für den Valbuena No. 5 verwandt, den Zweitwein des Hauses. Die Reben kommen von vierzig Jahre alten Rebstöcken, die auf sandigen, kalkhaltigen Schwemmlandböden wachsen.

Nach zwei Stunden Besichtigung sitze ich in der Lobby. Wir verkosten zuerst den Valbuena No. 5 aus dem Jahr 2014. Nach fünf Jahren Reife in Barriques aus französischer Eiche und in der Flasche kommt der Wein auf dem Markt. Der 2014er war José Penin 95 Punkte wert. Nichts entgegen zu setzen. Danach der Vega Sicilia Unico 2007. Schlank, präzise, facettenreich. Mein Geschmack. Genau wie der Unico Reserva Especial, eine Cuvée aus den Jahrgängen 2006 – 07 – 09. Tolle Weine, traditionell, keine Fruchtbomben, kraftvoll ohne übertriebene Muskeln, elegant, eher Trendsetter der Tradition. Zum Schluss noch meine Frage nach dem „Fabrikverkauf“. Nein keine Chance. Ach ja die Sache mit der Verkaufsliste fällt mir wieder ein. Abends in Peñafiel in meiner Lieblingsbar leiste ich mir den Valbuena No. 5. Schaue dem abendlichen Treiben zu, sinniere über den Mythos Vega Sicilia und der Mythos überlebt diesen Abend nicht…